Krisenkommunikation für Unternehmen – was jetzt zählt
Ob Cyber Incident, Produktrückruf oder Rechtsstreitigkeiten: In solchen Momenten entscheidet vor allem die Kommunikation darüber, wie stark die Krise nach innen und außen wirkt. Denn Krisen erschüttern nicht nur Systeme, sondern auch Vertrauen. Menschen wollen wissen, was passiert, wie sie betroffen sind und wer Verantwortung übernimmt. Wenn Kommunikation ausbleibt, füllen andere das Vakuum – Medien, soziale Netzwerke oder auch Aktivisten. Deshalb ist Kommunikation immer ein zentraler Teil der Krisenbewältigung. Sie stabilisiert Wahrnehmung, strukturiert Informationen und gibt Orientierung.
Die zentralen Elemente wirksamer Krisenkommunikation
Krisenkommunikation ist ein strategischer Prozess. Diese Elemente bilden das Fundament erfolgreicher Kommunikation im Ernstfall:
Frühzeitiges Handeln – Steuerungs- und Deutungshoheit sichern
Die ersten Stunden sind entscheidend. Wer in dieser Phase sichtbar ist, behält das Vertrauen. Früh zu kommunizieren heißt nicht, alles zu wissen – es heißt, Verantwortung zu zeigen. Ein einfacher Satz wie „Wir wissen noch nicht alles, aber wir informieren regelmäßig“ schafft Ruhe und signalisiert Kontrolle.
Veröffentlichen Sie relevante Informationen frühzeitig – bevor andere Quellen die Berichterstattung bestimmen.
Setzen Sie eine Haltebotschaften ein, wenn Details fehlen, um Zeit für die Analyse und Abstimmung zu gewinnen.
Informieren Sie bei länger andauernden Krisen regelmäßig und fortlaufend mit Updates.
Haltung und Werte
Krisen haben immer eine menschliche Dimension. Hier zählt die Haltung: Menschen hören nicht nur auf Fakten, sondern auch auf den Tonfall, die Wertebasis und die gezeigte Empathie. Es geht darum, Verantwortung sichtbar zu übernehmen – durch eine Sprache, die Betroffene ernst nimmt, die Sorgen aufgreift und aktiv Lösungen anbietet. Verständnis, Bedauern und konkrete Unterstützung für Betroffene sind zentral, um Glaubwürdigkeit und Akzeptanz zu erhalten.
Empathie zeigt Verantwortung und Nähe zu Betroffenen.
Die Beschreibung einer adäquaten Lösung sorgt für Vertrauen in die Handlungsfähigkeit.
Persönliche Ansprechpartner und authentische Zitate erhöhen die Wirksamkeit.
Präsenz – Führung braucht ein Gesicht
In der Krise zählt sichtbare Verantwortung. Menschen glauben weniger an Slogans als an Emotionen und Gesichter. Wer auftritt, sollte vorbereitet sein – fachlich, rhetorisch, emotional. Die Kombination aus innerer Haltung, inhaltlicher Klarheit und professioneller Übung sichert, dass Präsenz zu erfolgreicher Krisenkommunikation beiträgt.
Wahrhaftigkeit und Prozesskommunikation
In dynamischen Lagen zählt weniger das Endergebnis als die Haltung, wie man dorthin gelangt. Wahrhaftigkeit bedeutet: ehrlich über den aktuellen Kenntnisstand sprechen. Prozesskommunikation übersetzt das in Struktur – regelmäßige Updates, klar dokumentiert, mit Zeitangaben. So entsteht prozessuale Glaubwürdigkeit, auch wenn Fakten noch fehlen oder sich ändern.
Verwenden Sie geeignete Tools für die Prozesskommunikation, v.a. Microsites.
Stellen Sie regelmäßige Updates sicher.
Legen Sie somit auch die Grundlage für einen professionellen Dialog mit Medien.
Klarheit in Sprache und Struktur
In Krisen nehmen Informationen exponentiell zu, und zugleich nimmt hilfreiche Orientierung ab. Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Bernhard Pörksen nennt das die „Entgrenzung des Wissens“: Alles ist verfügbar, alles steht nebeneinander, nichts hat Gewicht. Die Herausforderung lautet also nicht: Wie reduzieren wir Informationen? Sondern: Wie schaffen wir Sinn, wenn alles gleichzeitig spricht?
Die Masterstory schafft Struktur und bildet den Rahmen für "One Voice".
Je komplexer die Lage, desto einfacher müssen die Sätze werden. Fachsprache und Passivkonstruktionen sind in Krisen Gift.
Die Inhalte müssen zutreffend und treffend sein – also sachlich richtig und sinnstiftend, einordnend.
Relevanz und Zielgruppen
Nicht jede Information ist für alle gleich wichtig. Erfolgreiche Krisenkommunikation beginnt mit Zuhören: Welche Fragen tauchen immer wieder auf? Welche Erwartungen gibt es? Antworten müssen nach Zielgruppen priorisiert werden – Kundinnen und Kunden wollen anderes wissen als Mitarbeitende oder Medien. Das bedeutet, dass es - basierend auf der Masterstory - zielgruppenspezifische, relevante Erweiterungen gibt.
Medienkompetenz – besonders in Social Media
Digitale Öffentlichkeit bedeutet: Jede Botschaft wird sofort gespiegelt, kommentiert, interpretiert. Wer hier bestehen will, braucht Medienkompetenz – das Wissen, wie sich Inhalte in unterschiedlichen Kanälen entwickeln und wie KI und Fake News das Spielfeld verändern. Ein Grundprinzip für Unternehmen in Krisen: In den digitalen Owned Channels wird ein Kanal als zentraler definiert. Informationen zum Krisenfall werden zentral gebündelt (z. B. in einem Newsroom oder einer Microsite) und über alle Kanäle verlinkt. So bleibt Kontrolle möglich, auch im komplexen digitalen Umfeld.
Struktur und Vorbereitung
Krisenkommunikation lebt von klaren Strukturen und guter Vorbereitung. Wer Abläufe, Zuständigkeiten und Kommunikationslinien im Voraus definiert, kann auch unter Druck kontrolliert und souverän handeln.
Drei zentrale Bausteine helfen, im Krisenfall den Überblick zu behalten:
Krisenpläne und Krisenmanuals: Sie definieren Verantwortlichkeiten, Entscheidungswege und Freigabeprozesse. So weiß jeder im Krisenstab, was zu tun ist – ohne Zeitverlust.
Checklisten und Textvorlagen: Sie sichern, dass an alles gedacht wird, bieten sofort einsetzbare Kommunikationsbausteine und schaffen einen klaren Zeitvorsprung in der Reaktion.
Regelmäßige Simulationstrainings: Durch realitätsnahe Übungen wird das Team auf den Ernstfall vorbereitet. Routine entsteht, Unsicherheiten werden abgebaut – und im Krisenmoment greift der Automatismus geübter Abläufe.
Fazit
Krisenkommunikation ist ein strategisches Führungsinstrument, das über Vertrauen, Reputation und Unternehmenserfolg entscheidet. Wer vorbereitet ist, kommuniziert schneller, sicherer und glaubwürdiger: Unternehmen, die ihre Krisenprozesse mindestens einmal jährlich trainieren, reagieren im Ernstfall bis zu 60 % schneller – und behalten deutlich häufiger die kommunikative Kontrolle.
Tina Hunstein-Glasl
Tina Hunstein-Glasl ist Inhaberin von Tina Glasl Strategie & Kommunikation. Sie zählt zu den führenden Expertinnen für Krisenkommunikation und strategische Veränderungsbegleitung im deutschsprachigen Raum. Seit über 20 Jahren begleitet sie Unternehmen, Organisationen und Institutionen bei der erfolgreichen Navigation durch komplexe Aufgaben, Krisen und Transformationen. Als Mitgründerin der ORVIETO ACADEMY for Communicative Leadership stärkt sie zudem kommunikative Kompetenz und innere Stabilität von Führungskräften im Kontext des 21. Jahrhunderts. Sie studierte Kommunikationswissenschaft, Politik und Soziologie an der LMU München und ist ausgebildeter Coach mit Weiterbildungen in Organisationsentwicklung.
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